HONDI - seine Gedanken

HONDI ist das liebenswerteste und treueste Auto, dass Ihr Euch vorstellen könnt. Auto-Alter sind gleichzustellen mit ‚Hundejahren‘, na ja, so irgendwie, also sind sie leistungsmäßig gleichzustellen mit einem Welpen, wenn sie bereits 16 Jahre oder mehr auf dem Puckel haben. So ergeht es unserem HONDI, einem kleinen blauen Honda Civic mit 55 kw/79 PS und einem Benzinmotor, dem lange Jahre nichts fehlte. HONDI stand traurig bei einer Autowerkstatt und glaubte, dass sich niemand für ihn interessieren würde, bis eine alte lustige Witwe kam, und ihn gegen einen 6-Zylinder und 178 kw-starken MB eintauschte. Warum tat die Frau das? HONDI beäugte sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn die Frau nahm ihn zunächst zur ‚Probe‘ mit, mit einem roten Kenzeichen. Folgendes geht HONDI durch den Zylinderkopf: „Hurra, da ist ja jemand, der mich mag! Wie jetzt? Nur zur Probe? Oh, da muss ich mich ja anstrengen! Was, sie will mich eintauschen gegen einen 6-Zylinder? Kann ich kaum glauben! Hu, da muss ich mich ja anstrengen und mich von der besten Seite zeigen! Ich glaube jetzt nicht, was ich gerade vom Monteur gehört habe: „Der kleine Honda ist ja noch blutjung und hat erst 28 Tausend Kilometer gelaufen. Den Alten lassen wir über die Klippe springen!!!“ Hilfe! Für mich soll jemand sterben? Hm, ich verstehe es einfach nicht! Egal, Hauptsache, ich muss jetzt nicht mehr hier rumstehen und blöde grinsen, damit mich jemand kauft. Ist ja eh schon so anstrengend, sich ständig der Sonne auszusetzen. Ich bin blau und kann stehen, stehen und stehen und werde trotzdem nicht braun! …War ein Scherz… Aber mal echt, ich würde schon wieder gerne mal auf die Piste gehen… Oh, da kommt die Frau und holt mich ab, das ist fein! Auaaaa, was machen die denn da? Achso, die schrauben das komische rote Kennzeichen an… Uuups, hat sie mich abgewürgt? Aber sie scheint ganz nett zu sein! Ich helfe ihr auf die Sprünge! Na, siehste, geht doch!!! WOW, cooles Feeling!! Sie kann ja fahren und hat wirklich was drauf! Ich komme zu dem Entschluss, dass sie schon sehr zu mir passen würde! Ob sie auch so denkt? Oooh, ich beginne langsam zu schwitzen… „Huhuuuu, Du, Frau, gefalle ich Dir?“ Merkwürdig, ich kann Frau’s Gedanken hören: „He HONDI, hast Du zu mir gesprochen?“ „…äähh, ja, das habe ich. Kannst Du mich etwa verstehen? Wieso? Ich rede sonst immer nur mit Metall, Alu und normalem Blech. Du bist aber doch so ein Teil, was wir unter unseren Kreisen „Weichei“ nennen. Wieso kannst Du „autoisch‘‘ sprechen und verstehen?“ „Ach weißt Du HONDI, das ist wie bei uns Menschen. Man muss nur zuhören und verstehen! Ich habe Dich und Deine Gedanken verstanden. Mach Dir keine Sorgen. Du bist ein prima Kerl und Du gefällst mir! Du bist jung, dynamisch und hast noch nicht sehr viele Kilometer gelaufen. Du siehst chic aus und passt wohl in meine Geldbörse.“ „Wie jetzt? Willst Du mich wirklich haben? Du kennst mich doch gar nicht!“ „Stimmt. Darum nehme ich Dich ja auch nur zur Probe mit.“ „Heißt das, ich darf mir Hoffnung machen, dass ich bei Dir bleiben darf…schnief?“ „Ja HONDI, das heißt es. Wenn Du meinen Anforderungen entsprichst, darfst Du bei mir bleiben.“ So hatte die Frau damals gesprochen. Oh, hatte ich mich in sie seit dem ersten Date verliebt!!! Sie war so zärtlich, sportlich, energisch, geschickt und liebevoll!!! Ich mochte sie gleich und sie…??? Wir verbrachten 5 tolle und wirre Tage. Noch war nicht klar, ob wir ein Paar werden würden. Ich bekam immer nur am Rande mit, dass ich ‚eingetauscht‘ werden sollte, gegen den starken Typen. Man war sich wohl lediglich über den Preis nicht einig. So wartete ich. Ich wartete und hoffte. Meine sonst so niedlichen Scheinwerfer verzerrten sich zur Nacht oftmals traurig. Ich mochte die Frau, die mich gefahren hatte. Warum holte sie mich nicht? War ich nicht nett genug zu ihr? Ich habe mich doch so angestrengt! Ich ging wieder traurig schlafen und glaubte nicht mehr daran, dass ich diese nette Frau jemals wiedersehen würde, doch dann stand sie plötzlich vor mir: „He, HONDI. Kennst Du mich noch?“ Mir begann das Füllwasser aus der Scheibenwaschanlage zu laufen. „Chris, bist Du es wirklich? Ich dachte, Du kommst nie mehr!“ Chris hatte sich für mich entschieden und nahm Platz auf ihrem Sitz. Sie kraulte mich unter meinem Lenkrad, streichelte meine Armaturen und meinte zärtlich wispernd: „Jetzt gehörst Du mir, Kleiner!“ Wäre ich nicht von Natur aus blau gewesen, wäre ich vermutlich ganz „schamviolett“ geworden. Das verkniff ich mir jedoch. Sie zuppelte mir kraulend unter dem Lenkrad rum, streichelte mir über meine Armaturen und sprach zu mir. Wie könnte ich sie jemals im Stich lassen? Ich war damals 28.000 Kilometer jung. Ich träume heute noch von unseren Anfangszeiten… Heute, nach annähernd 12 Jahren wilder Ehe, blicke ich auf eine wilde Zeit zurück. Wie oft habe ich mit ihr am Abgrund gestanden? Ich meine das jetzt echt! Wir haben in den Alpen Wege erklommen, auf denen es keine Wendemöglichkeit mehr gab. Mir war schon ganz schwindelig, aber sie hat es immer wieder geschafft, mich auf einer ‚Bierdeckel‘ gleichenden Fläche umzudrehen, mir die Schönheiten der Natur zu zeigen, mich stark fühlen zu lassen und zu zeigen, dass sie mich wirklich lieb hat, dass ich HONDI bin. Dafür habe ich ihr gezeigt, dass ich für die zahlreichen Umzüge ihrer Ableger Platz bieten kann, welchen niemand hinter meiner smarten Fassade vermutet. Ich bin irgendwie sehr stolz auf mich! „Das kannst Du auch, mein treuer HONDI“! „Wie jetzt? Hast Du mich schon wieder verstanden?“ „Ja, das habe ich und werde es auch immer tun!“ Ich traue jetzt gerade mal wieder meinen Zylindern nicht! Sie versteht mich tatsächlich! Sie versorgt mich mit Öl und Benzin, wie eine Mutter ihr Baby mit Milch! Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Ich habe jetzt in den vergangenen, fast 12 Jahren, für sie 305 Tausend Kilometer geleistet, also insgesamt 333.000 und sie wird einfach nicht müde! Dann werde ich es auch nicht!!! „Danke HONDI, das habe ich gehört! Ich werde wirklich nicht müde, meine Zeit mit Dir zu verbringen. Ich liebe Dich!!!“ Haaaach, ist das schöön. Ich war noch nie so verliebt! Psst, unter uns gesagt, ich glaube, sie war es auch noch nie so sehr, wie in mich, und ich bin HONDI… © Christiane Rühmann

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